Was bringt fairer Handel den kleinen Kaffeeanbaubetrieben?
Fair Trade USA ist das wichtigste Zertifizierungssiegel für fair gehandelte Produkte in Nordamerika. Auf globaler Ebene arbeitet Fair Trade USA Seite an Seite mit der europäischen Organisation Fairtrade International. Colleen Anunu, Leiterin der Abteilung für Wertschöpfungsketten bei Fair Trade USA, spricht über die Herausforderungen, denen sich der faire Handel im Kaffeeanbau gegenübersieht, und die bereits erzielten Erfolge. Sie erklärt zudem, wie Fair Trade USA und Oikocredit gemeinsam die Preisrisiken für Kaffeebäuerinnen und -bauern reduzieren.
Ende der 90er Jahre wurde das Fair Trade-Siegel eingeführt. Was hat dieses seitdem für Kleinbäuerinnen und -bauern im Kaffeesektor geleistet?
Die Einführung einer Zertifizierung des fairen Handels hat entscheidend dazu beigetragen, dass viele Kleinbäuerinnen und-bauern, denen Bankkredite eingeschränkt zur Verfügung stehen, langfristig in Qualität und Produktivität investieren können. Gerade vor dem Hintergrund weltweiter Bedrohungen, wie dem Klimawandel, ist das von großer Bedeutung. Nach Schätzungen von Fair Trade USA bezifferte sich der Nutzen, den Kaffeeanbaubetriebe weltweit im Zeitraum 1998 bis 2016 aus der Mindestpreisgarantie sowie der Fairhandels-Prämie erzielten, auf rund 315 Millionen Euro. Das hat den Verbänden der Kaffeebäuerinnen und-bauern ermöglicht, ihre organisatorische Infrastruktur und ihre demokratischen Entscheidungsprozesse zu stärken. Zugleich hat es zur Förderung der finanziellen Grundlagen, zur Stärkung von Frauen und zur Förderung von gesellschaftlichen Entwicklungsprojekten beigetragen.
Wie hat sich der faire Handel allgemein und Fair Trade USA im Besonderen in den letzten Jahren entwickelt?
Der Anteil des fairen Handels am Welthandel ist stetig gestiegen. Damit gewinnt der faire Handel zunehmend an Präsenz und verbindet Unternehmen und Verbraucher rund um den Globus. Mittlerweile verfügen Tausende Marken und Produkte von landwirtschaftlichen Betrieben und Fabriken in über 70 Ländern über eine Zertifizierung von Fair Trade. Fair Trade USA hat diese Entwicklung entscheidend mitgestaltet. Wir haben beispielsweis Märkte für fair gehandelte Meeresfrüchte oder Kleidung erschlossen und den Verkauf fair gehandelter Produkte durch Städte und Universitäten gefördert.
Inwieweit wirkt sich der Klimawandel auf Kaffeebäuerinnen und -bauern aus? Wie kann der faire Handel die landwirtschaftlichen Betriebe unterstützen?
Durch steigende Temperaturen, die Verbreitung von Krankheiten und zunehmenden Flächendruck hat der Klimawandel massive Auswirkungen. Die Pilzerkrankung Kaffeerost hat Kaffeeernten in Zentralamerika, insbesondere in El Salvador, Mexiko, Guatemala und Honduras zerstört. Seit 2014 ist die Epidemie zwar auf dem Rückzug, beeinträchtigt aber immer noch Umfang und Qualität der Kaffeeernte. Fair Trade USA hat einen Rust Response Fund eingerichtet, um die Neubepflanzung von Kaffeeplantagen zu finanzieren. Viele Genossenschaften setzen den Großteil ihrer verfügbaren Ressourcen für die Neubepflanzung, Instandsetzung und Schulungen ein. Die Mindestpreisgarantie und die Fairhandels-Prämie sind von entscheidender Bedeutung, um die Lebensgrundlagen der Kaffeebäuerinnen und -bauern auch gerade angesichts des Klimawandels zu sichern.
Die Investment-Genossenschaft Oikocredit ist seit 40 Jahren Pionier sozial-ethischer Investitionen. Mehr als 54'000 Anlegerinnen und Anleger finanzieren Projekte des Fairen Handels, Erneuerbarer Energien, der Förderung von Frauen und der kleinbäuerlichen Landwirtschaft in über 70 Entwicklungs- und Schwellenländern. |
Welche Rolle spielen soziale Kreditgeber wie Oikocredit für die wirtschaftliche Nachhaltigkeit von Kaffeeanbaubetrieben?
Sozialen Kreditgebern wie Oikocredit kommt eine entscheidende Rolle zu. Die von Ihnen vergebenen Kredite ermöglichen es landwirtschaftlichen Betrieben, die aufgrund ihrer schwierigen Standortbedingungen ein höheres Risiko für Kreditgeber darstellen, ihren Kaffee zu vermarkten. Die von Oikocredit angebotene Agrarfinanzierung unterstützt das innovative Konzept der „Triangulation“: In diesem Rahmen erhalten Kaffeeanbaubetriebe in der Regel rund 60 Prozent der für die einzelnen Verträge erforderlichen Mittel, die dann vom Käufer direkt an Oikocredit zurückgezahlt werden.
Fair Trade USA, Oikocredit und andere Organisationen haben für Kaffeeanbauverbände in Lateinamerika ein Projekt zur Steuerung von Preisrisiken ins Leben gerufen. Können Sie uns mehr zu diesem Projekt erzählen?
Im Kaffeesektor können Lieferverträge kleinbäuerliche Kooperativen potenziell benachteiligen, da Käufer und Röster die Preise im Voraus festlegen müssen. Wenn also eine Genossenschaft mit einem Käufer einen Preis vereinbart, der unter dem aktuellen – steigenden – Marktpreis liegt, dann kann die Genossenschaft ihren Mitgliedern nicht mehr so viel Kaffee abnehmen wie ursprünglich geplant. Das Projekt zur Steuerung von Preisrisiken* zielt darauf ab, den Partnerorganisationen effektivere Möglichkeiten zur Absicherung gegenüber Preisschwankungen an die Hand zu geben und damit die Lebensgrundlage von Bäuerinnen und Bauern zu sichern. Im Mittelpunkt des Projekts steht die Kreditvergabe an Genossenschaften und deren Schulung. Oikocredit leitet das Projekt im Namen der Inter-American Development Bank, Keurig Green Mountain, Catholic Relief Services und Fair Trade USA.
Was sind die Hauptkritikpunkte, die gegen den fairen Handel angeführt werden? Wie geht Fair Trade USA damit um?
Mitunter hören wir von Käufern und Röstern, dass Erzeugnisse aus fairem Handel teuer seien, vor allem wenn der Preis auf dem Kaffeemarkt deutlich unter dem Fair-Trade-Mindestpreis von 1,40 Dollar pro Pfund liegt. Unsere Forschungen haben gezeigt, dass der Fair-Trade-Mindestpreis bei fallenden Marktpreisen Betriebskosten und Wertverzehr deckt. Die Erzeuger nutzen die Prämie, um steigende Kosten auszugleichen und ihre Rentabilität dauerhaft zu sichern. Bei der Prämie handelt es sich um einen zusätzlichen Aufschlag über dem Mindestpreis, den die Kaffeebäuerinnen und -bauern in Förderprojekte für die Betriebe und Gemeinschaften vor Ort investieren.
Zudem wird häufig kritisiert, der faire Handel mache nicht genug. Doch trotz all seiner Wirkungsmacht und transformativen Kraft kann der faire Handel nicht die alleinige Lösung aller Probleme in dieser Welt sein. Er zielt vielmehr darauf ab, gleiche Wettbewerbsbedingungen für die schwächsten Glieder in der Lieferkette zu schaffen und deren Teilhabe an der Wertschöpfung sicherzustellen. Der faire Handel unterstützt Erzeuger bei der Umsetzung bester Praktiken. Er erleichtert ihnen Zugang zu kritischen Ressourcen und Ausbildung, und er unterstützt Kleinbetriebe bei der Umsetzung ihrer bedarfsspezifischen Anforderungen. Der faire Handel ist nur ein Aspekt einer sehr viel weiterreichenden Lösung für die vielfältigen Herausforderungen, die sich uns stellen. Diese Lösung muss die vielfältigen Interessengruppen einbeziehen. Daher unser Fokus auf branchenübergreifende Partnerschaften, wie beispielsweise das Projekt zur Steuerung von Preisrisiken, an dem sich Oikocredit und andere Organisationen beteiligen.
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