Kakao-KleinproduzentInnen in Westafrika unterstützen

Kakao-KleinproduzentInnen in Westafrika unterstützen

Yves Komaclo.jpgmardi 29 décembre 2020

Die Kakaoproduktion ist eine wichtige Einkommensquelle in Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste), Ghana und Nigeria. Wir haben Yves Komaclo, den Investmentmanager für Westafrika bei Oikocredit, interviewt, um zu erfahren, wie Oikocredit den Kakaosektor aktuell unterstützt.

Welchen Stellenwert hat Kakao in Westafrika?

Die Region Westafrika ist weltweit führend in der Erzeugung von Kakao, dem Hauptbestandteil in der Schokoladenherstellung. Drei Oikocredit-Schwerpunktländer rangieren durchgängig unter den fünf oder sechs Spitzenproduzenten weltweit: Côte d‘Ivoire und Ghana, die beiden größten Produzenten der Welt mit einer Jahresproduktion von ca. 2 Millionen Tonnen bzw. 0,88 Millionen Tonnen, und Nigeria mit 0,24 Millionen Tonnen. Die Gesamtproduktion weltweit beläuft sich auf 4 bis 4,5 Millionen Tonnen pro Jahr, von denen die Mitgliedstaaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS ca. 70 Prozent liefern, hauptsächlich für den Export.

Vor allem in Côte d‘Ivoire ist Kakao die wichtigste Deviseneinnahmequelle und der führende Agrarteilsektor, der ca. 1,5 Millionen Haushalte bei einer Gesamtbevölkerung von 25 Millionen Menschen ernährt. Die Landwirtschaft insgesamt stellt fast zwei Drittel der formellen und informellen Arbeitsplätze. Die meisten Kakaofarmen in Westafrika sind kleinbäuerliche Betriebe, die weniger als 3 Hektar umfassen. Da die Pflanze für Côte d‘Ivoire und Ghana strategisch wichtig ist, haben die Regierungen beider Länder ihre Zusammenarbeit in dem Sektor intensiviert, zum Beispiel bei der Festlegung von Mindestpreisen ab Hof.

Wie unterstützt Oikocredit den Kakaosektor in der Region?

Oikocredit stellt den ProduzentInnen finanzielle Unterstützung über bäuerliche Genossenschaften, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und Mikrofinanzinstitutionen (MFI) zur Verfügung und hilft so den BäuerInnen, das Material zu erwerben, das sie benötigen, um die Produktion zu gewährleisten und zu verbessern. Eigentlich arbeiten wir lieber mit Erzeugergenossenschaften zusammen, aber manchmal sind diese Organisationen noch nicht bereit für eine direkte Finanzierung; in diesen Fällen reduzieren wir das Investmentrisiko, indem wir Genossenschaften über KMU und MFI finanziell unterstützen.

Wir investieren auch in die Phase nach der Ernte, indem wir den Genossenschaften und KMU die Vermarktung des Kakaos ermöglichen. Dadurch werden kleine Fahrzeugflotten, die die Erzeugnisse der BäuerInnen einsammeln, der Bau von Lagerhäusern und Kakaobohnen-Trocknungsanlagen finanziert. Wir unterstützen unsere Genossenschafts- und KMU-Partner auch bei der Entwicklung und Anwendung wirksamer Prozesse in der Unternehmensführung und dem Finanzmanagement, sodass ihre Kontroll- und Berichtsverfahren transparent und nachvollziehbar werden. Gute Nacherntepraktiken sind für unsere Partner von großer Bedeutung, damit sie die Zertifizierungsanforderungen von Fairtrade und Rainforest Alliance/UTZ, deren Einhaltung jedes Jahr überprüft wird, erfüllen können.

Welche Auswirkungen hat Covid-19 auf den westafrikanischen Kakaosektor?

Der Ausbruch von Covid-19 führte im ersten Quartal 2020 in Westafrika zu großer Beunruhigung hinsichtlich des Ausmaßes der Pandemie in China und Westeuropa. Prognosen von 5 Millionen Toten in Afrika veranlassten viele Regierungen zu drastischen Vorbeugungsmaßnahmen. Der strenge Lockdown, der Ende März verhängt worden war, wurde im Juni und Juli langsam gelockert, was größere Mobilität erlaubte. Glücklicherweise wurde die Kakaoproduktion größtenteils nicht behindert, da die Spitzenerntezeit in Westafrika für die besten Bohnensorten von Oktober bis Dezember dauert. Das bedeutete, dass dem Sektor die schlimmsten Auswirkungen der Pandemie und des Lockdowns erspart blieben.

Dennoch führten die Beschränkungen zu Verzögerungen bei der Einstellung von ArbeiterInnen für die Pflege der Anpflanzungen, zum Beispiel das Beschneiden, Roden und Düngen. Diese Arbeiten finden normalerweise in der ersten Hälfte des Kalenderjahres statt, aber dieses Jahr mussten sie viele BäuerInnen später durchführen.

Covid-19 führte auch zu größeren Preisschwankungen. Westliche Exportmärkte wurden von den Schließungen in der Gastronomie (Restaurants, Hotels, etc.) hart getroffen, was zu einem Rückgang bei der Nachfrage nach Schokolade und zu Preissenkungen führte. Andererseits wurde dies teilweise wettgemacht durch eine steigende Nachfrage nach Schokolade in Schwellenländern wie China, Indien und Russland. Insgesamt werden die Produktion und das Angebot von Kakao wahrscheinlich stärkeren Preisschwankungen unterworfen sein als in der jüngeren Vergangenheit.

Vor allem in Côte d‘Ivoire ist Kakao die wichtigste Deviseneinnahmequelle und der führende Agrarteilsektor.

Welchen Herausforderungen steht die Kakaoproduktion sonst noch gegenüber?

Die meisten KakaobäuerInnen erhalten nach wie vor nur einen geringen Anteil am Wert, den ihre Pflanze durch die Wertschöpfungskette letztendlich generiert. Viele von ihnen leben unterhalb der Armutsgrenze von 1,90 US-Dollar pro Tag. Seit 2019 wird eine Prämie zugunsten eines existenzsichernden Einkommens von 400 US-Dollar pro Tonne auf die Erzeugerpreise aufgeschlagen („living income differential“). Diese Prämie gehört zu einer neuen Preisstruktur für Kakao, die in einem Abkommen zwischen Ghana und Côte d‘Ivoire vereinbart wurde. Sie verpflichtet alle Unternehmen, die in einem der beiden Länder Kakao kaufen, diese Extra-Prämie von 400 US-Dollar pro Tonne oberhalb des marktüblichen Preises zu zahlen. Die Prämie wird ab der Ernte 2020/21 wirksam und soll dazu dienen, den KakaoproduzentInnen höhere und stabile Abnahmepreise zu sichern. Noch ist es jedoch zu früh, um Auswirkungen auf die Existenz der KleinbäuerInnen und auf die wirtschaftliche Nachhaltigkeit unserer Partnerorganisationen analysieren zu können.

Neben der finanziellen Nachhaltigkeit ist soziale und ökologische Nachhaltigkeit für den Kakaosektor in Westafrika von entscheidender Bedeutung. Im sozialen Bereich hat die Abschaffung der ausbeuterischen Kinderarbeit Vorrang. Trotz jahrelanger Anstrengungen, die Ausbeutung von Kindern auf Kakaofarmen auszurotten, wird das Leben junger Menschen immer noch stark davon beeinträchtigt. Oikocredit geht dieses Problem an, indem wir Kakaogenossenschaften und KMU sorgfältig auswählen und auf Zertifizierung bestehen, Fortbildung und Bewusstsein fördern, mit sozial verantwortlichen Schokoladenherstellern wie Tony’s Chocolonely zusammenarbeiten und selbst Besuche zur Kontrolle und zur Überprüfung der Sorgfaltspflicht durchführen.

Eine weitere Herausforderung stellt die Zugehörigkeit der KakaobäuerInnen zur älteren Bevölkerungsschicht dar. Es fehlen heute Anreize für junge Menschen, um sie von der Abwanderung in städtische Gebiete abzuhalten. Der Sektor benötigt mehr junge Menschen in der Produktion.

Im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit liegt das besondere Augenmerk auf der Vermeidung von Entwaldung, die oft bei der Gewinnung von neuen Gebieten für den Kakaoanbau auftritt. Weitere Aufgaben beziehen sich auf eine Verbesserung der Baumpflege, da viele Plantagen relativ alt sind und Erneuerung und Sanierung benötigen.

Es gibt aber auch positive Entwicklungen. Das Bewusstsein für das Problem der Kinderarbeit hat zugenommen, und internationale Akteure in der Schokoladen-Wertschöpfungskette stellen Bauerngenossenschaften immer häufiger technische Unterstützung und Zuschüsse zur Verfügung. Immer mehr öffentlich-private Partnerschaften werden ins Leben gerufen, um an den Problemen des Sektors zu arbeiten, zum Beispiel die Cocoa & Forests Initiative der Welt-Kakao-Stiftung.

Wie geht es den Kakaopartnern von Oikocredit in der Region?

Unseren westafrikanischen Kakaopartnern geht es im Allgemeinen relativ gut, obwohl einige, die schon vor der Pandemie Probleme hatten, immer noch in Schwierigkeiten sind. In einigen Fällen konnten KMU-Partner Kakaobohnen nicht zu dem Preis einkaufen, den sie benötigen, um wirtschaftlich zu arbeiten, und stellten dann fest, dass sie ihre Kosten durch internationale Verkäufe nicht vollständig decken konnten.

Zu den Partnerorganisationen, die wir unterstützen, gehört Ocean, ein Kakao-KMU seit 2015, mit einem neuen Kredit über 2,5 Millionen Euro, der im November 2020 ausgezahlt wurde. Genossenschaften, die eng mit Ocean zusammenarbeiten, zum Beispiel ECAM (2.400 Mitglieder) und Socoopacdi (1.000 Mitglieder), sind wichtige Lieferanten für Tony’s Chocolonely. Die Erzeuger-Mitglieder von Ocean haben nicht nur von Zertifizierungsprämien profitiert, sondern erhielten auch technische Unterstützung und Hilfe für die Gemeinschaft. Dazu gehörten auch die Bereitstellung von Schulausrüstung und die Renovierung von Klassenzimmern, um damit vorzubeugen, dass Kinder gefährlicher Arbeit auf den Kakaofarmen nachgehen. Ein weiterer Partner, die Genossenschaft Ecookim, konnte trotz der Covid-19 Krise 500 neue HerstellerInnen und Mitglieder werben und bleibt einer der wichtigeren lizenzierten Exporteure in Côte d‘Ivoire.

Veränderungen beim Niederschlag in der Region können ebenfalls problematisch sein. Die meisten KakaobäuerInnen verfügen nicht über Bewässerungssysteme und sind abhängig von saisonalen Regenfällen. Obwohl sich die Niederschlagsmenge durch den Klimawandel bisher nicht wesentlich verändert hat, setzt der Regen oft später ein als in früheren Zeiten, was zu geringeren Ernteerträgen führen kann.

Wie möchte Oikocredit den westafrikanischen Kakaosektor in Zukunft erfolgreich unterstützen?

Oikocredit hat durch seine Betriebsmittel- und Handelsfinanzierung im Kakaosektor Erfolge erzielt, aber wir können noch mehr tun. Westafrikanische Regierungen, die unter Geldnot leiden, könnten gezwungen sein, ihre finanzielle Unterstützung zu reduzieren und/oder Steuern auf die Kakaoproduktion zu erheben. Daher sehen wir einen potentiell größeren Bedarf an Unterstützung in der Zukunft. Darüber hinaus könnten sich Fortschritte bei der Bekämpfung von Kinderarbeit und Entwaldung im Jahre 2020 im Lockdown verlangsamen oder gar umkehren, sodass wir uns darauf einstellen müssen, unsere Anstrengungen dort zu verdoppeln.

Eine Verbesserung der Nachhaltigkeit ist unabdingbar, wenn HerstellerInnen und Genossenschaften die Richtlinien bei der Rückverfolgbarkeit zugunsten transparenter Lieferketten einhalten wollen, wie sie etwa ethisch bewusste VerbraucherInnen, insbesondere in Europa, nachfragen. Immer mehr VerbraucherInnen erwarten, dass ihre Schokolade von gut geführten Kakaofarmen kommt.

Viele Kakao-Kleinbetriebe benötigen dringend Erneuerung und Sanierung aufgrund von alternden Kakaobäumen, Pflanzenschädlingen und -krankheiten sowie Bodendegradation. Die BäuerInnen müssen mehr Bäume pflanzen und gute landwirtschaftliche Methoden etwa beim Beschneiden, der Schädlingsbekämpfung und Düngemittelgebrauch anwenden. Wir sind sehr daran interessiert, den BäuerInnen zu helfen, indem wir mehr technische Unterstützung in diesen Bereichen zur Verfügung stellen.

Es ist davon auszugehen, dass 0,66 Millionen Hektar Kakaopflanzungen in Westafrika erneuert werden müssen, was 2.500 US-Dollar pro Hektar kosten kann, und dass 1,15 Millionen Hektar saniert werden müssen, wobei sich die Kosten auf 1.500 US-Dollar pro Hektar belaufen. Dies ist zukünftig ein wichtiger potentieller Investitionsschwerpunkt für Oikocredit, und wir hoffen, dass wir mit anderen Impact Investors strategische Partnerschaften eingehen können, um den Sektor beim Ausbau seiner Rentabilität und Nachhaltigkeit unterstützen zu können.

Wir sehen auch Möglichkeiten bei der Wertschöpfung im Land, wenn die Verarbeitung der Kakaobohnen vor Ort geschieht. Anstatt unverarbeitete Bohnen zu exportieren, möchten wir die ProduzentInnen bei der Investition in Mahlmaschinen unterstützen, damit sie stattdessen hochwertigere Kakaobutter exportieren und mehr Jobs vor Ort schaffen können. Dabei ist es ein wichtiges Ziel, die Kosten für die Maschinen für Genossenschaften und KMU zu reduzieren.

Ein weiterer Bereich, in dem wir Entwicklungen voranbringen können, ist die Modernisierung der Wertschöpfungskette durch die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs. Durch die Verwendung von mobilen Zahlungsinstrumenten können Genossenschaften, KMU und MFI mehr BäuerInnen erreichen und junge Mitglieder der kleinbäuerlichen Familien und Gemeinschaften für den Kakaoanbau gewinnen. Transaktionen, die auf Bargeld basieren, sind für HändlerInnen und ProduzentInnen riskant und können Kredithaien Zulauf verschaffen, wohingegen digitale Systeme sicherer sind und Rücklagen, Bankfähigkeit, finanzielle Teilhabe, Marktzugang sowie Durchhaltevermögen der ProduzentInnen verbessern. Für Oikocredit ist es dabei besonders wichtig, KleinbäuerInnen das Ansparen von Rücklagen zu ermöglichen, sodass sie beispielsweise in Bewässerungssysteme auf dem Hof investieren können.

Erfahren Sie hier mehr über die aktuellen Kredite in Höhe von insgesamt 7 Millionen Euro an unsere ivorischen Kakaopartner Ecookim, Ocean Sa und Socak Katana.

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