Oikocredit in Kambodscha

Fragen und Antworten rund um Oikocredits Engagement in Kambodscha

Oikocredit beschäftigt sich seit vielen Jahren intensiv mit den Entwicklungen im kambodschanischen Mikrofinanzmarkt. Heute leben immer noch 14,7 Prozent der Kambodschaner*innen unterhalb der nationalen Armutsgrenze (Quelle: Kambodscha | BMZ). Wir sehen unsere Aufgabe darin, das Leben wirtschaftlich benachteiligter Menschen in Kambodscha zu verbessern, indem wir ihnen Zugang zu verantwortungsvollen Finanzdienstleistungen ermöglichen. Dafür arbeiten wir eng mit sorgfältig ausgewählten Mikrofinanzorganisationen zusammen, die mit den Werten und sozialen Zielen von Oikocredit übereinstimmen und sich zu hohen Standards beim Kundenschutz verpflichten.

Die von Oikocredit finanzierten Mikrofinanzorganisationen vergeben Klein- und Kleinstkredite an Menschen mit geringem Einkommen, die keinen Zugang zum regulären Bankensystem haben. Verantwortungsvolle Mikrofinanzierung ist ein wichtiges Instrument für die ökonomische  Stärkung wirtschaftlich benachteiligter Menschen, insbesondere in ländlichen Gebieten.

Wir überprüfen regelmässig die Auswirkungen unserer Aktivitäten in Kambodscha. Unsere Studien zeigen eine überwiegend positive Wirkung von Mikrokrediten für die dortige Bevölkerung. Die zugrunde liegende Methodik und die Ergebnisse können Sie nachlesen in unserem aktuellen Wirkungsbericht sowie in unseren Endkundenbefragungen aus den Jahren 2021, 2022 und 2023 (Englisch).

Wir beobachten aufmerksam die hohen Verschuldungsraten und die Marktsättigung in manchen Regionen Kambodschas. Lange vor dem Aufkommen von Meldungen über die mögliche Überschuldung von Kund*innen im Jahr 2019 hatte Oikocredit bereits Überschuldungsstudien durchgeführt (2012 und 2017). Ebenso lange unterstützen wir unsere Partnerorganisationen durch Schulungen und Beratung bei der Stärkung ihrer Kundenschutzmassnahmen. So setzen wir uns seit vielen Jahren für eine verantwortungsvolle Mikrofinanz in Kambodscha ein. 

Bei der Analyse kritischer Medienberichte über die Arbeit von Oikocredit in Kambodscha haben wir festgestellt, dass wichtige Fakten ausgelassen werden und es oft an einer Kontextualisierung fehlt. Deshalb möchten wir mit den folgenden Fragen und Antworten zu einem ausgewogeneren Bild beitragen, um die Debatte differenziert und konstruktiv zu führen.

Kambodscha als Markt für Oikocredit

  • Wieso engagiert sich Oikocredit in Kambodscha?

    In Kambodscha leben ungefähr 16,94 Millionen Menschen (Quelle: Kambodscha | BMZ). Durch Wirtschaftswachstum hat sich Kambodscha in den letzten Jahren dem Status eines Landes mit mittlerem Einkommen genähert. Dennoch leben immer noch rund 2,5 Millionen Kambodschaner*innen (14,8% der Bevölkerung) unterhalb der nationalen Armutsgrenze und sind gefährdet, weiter in die Armut abzurutschen (Quelle: Kambodscha | BMZ).

    Als soziale Investorin unterstützt Oikocredit über ihre Partnerorganisationen wirtschaftlich benachteiligte Menschen, damit sie Zugang zu Finanzmitteln erhalten, die sie zur Verbesserung ihrer Lebenssituation benötigen. Im Laufe der Jahre haben wir Menschen in Kambodscha mit massgeschneiderten Finanzdienstleistungen über unsere Mikrofinanzpartner unterstützt. Derzeit arbeitet Oikocredit mit sechs sorgfältig ausgewählten Mikrofinanzorganisationen in Kambodscha zusammen. Diese Organisationen teilen unsere sozialen Werte und Ziele und haben sich zu hohen Standards beim Kundenschutz verpflichtet.

    Oikocredits Anteil am Mikrofinanzmarkt in Kambodscha beträgt aktuell ca. 0,3 %. Am 30. Juni 2024 belief sich das Volumen der von Oikocredit gewährten und ausstehenden Darlehen auf 25,4 Millionen Euro. Der gesamte Mikrofinanzsektor in Kambodscha hat ein Volumen von über 6 Milliarden USD und umfasst mehr als 80 lizenzierte Mikrofinanzinstitutionen (Quelle: Annual Supervisory Report 2023 der National Bank of Cambodia).

    Als privatwirtschaftlicher Akteur arbeitet Oikocredit mit der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft in einem Land zusammen, in dem ein Bedarf und eine Nachfrage nach verantwortungsvoller Mikrofinanzierung besteht. In der Vergangenheit wurde der kambodschanische Finanzsektor nach dem Fall des Roten Khmer Regimes von internationalen Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen wie der Weltbank, der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder der niederländischen Entwicklungsbank FMO aufgebaut, was für internationale Investor*innen ein gewisses Vertrauen in Bezug auf mögliche Korruption bedeutet.

  • Stimmt es, dass Oikocredit trotz der Probleme in Kambodscha seine Investitionen dort erhöht hat? Wenn ja, warum?

    Tatsächlich ist das Portfolio von Oikocredit in Kambodscha seit 2021 deutlich geschrumpft. Unser gesamtes ausstehendes Entwicklungskapital in Kambodscha ist von 63 Mio. EUR im Jahr 2021 auf 25 Mio. EUR im zweiten Quartal 2024 zurückgegangen. Heute stellt Oikocredit etwa 0,3 % der Finanzierungen für MFI (Mikrofinanzinstitutionen) in diesem Sektor bereit.

    Oikocredits Investment Team bewertet regelmässig das gesamte Portfolio und entscheidet anhand verschiedener Kriterien, wie wir unsere Finanzierungstätigkeit ausbauen. In Kambodscha hat Oikocredit in den letzten Jahren einen Rückgang der Finanzierungsanfragen beobachtet.

    Unser Ziel war es immer, den Menschen in Kambodscha mit verantwortungsvollen Finanzdienstleistungen zu dienen. Unsere Due-Diligence-Prüfungen, regelmässige Besuche vor Ort und Gespräche mit Mitarbeiter*innen und Endkund*innen haben uns gezeigt, dass unsere Partner den Kundenschutz institutionalisiert haben und dass die sehr grosse Mehrheit der Endkund*innen mit den Dienstleistungen unserer Partnerorganisationen zufrieden ist.

    Gleichzeitig haben wir die Marktrealitäten mit hohen Wachstums- und Sättigungsraten stets im Auge behalten. Unseren Partnern haben wir deshalb nicht nur Finanzierung, sondern auch Schulungen, Kapazitätsaufbau und Beratung angeboten, um sicherzustellen, dass unsere Mittel in Form von Mikrokrediten verantwortungsvoll weitergegeben werden.

  • Stimmt es, dass es zu viele Mikrofinanzorganisationen in Kambodscha gibt?

    In Kambodscha gibt es über 80 zugelassene, d.h. von der Zentralbank regulierte Mikrofinanzorganisationen (Quelle: Annual Supervisory Report 2023 der National Bank of Cambodia). Oikocredit hat aktuell aktive Partnerschaften mit sechs sorgfältig ausgewählten Partnern.

    Ein riesiges Problem in Kambodscha ist der grosse informelle Sektor mit unseriösen Geldverleihern und Kredithaien, die nicht Teil des regulierten Finanzsektors sind. Diese bewegen sich in einem undurchsichtigen Bereich des Finanzsektors ohne Kontrollen und Kundenschutz.

Mikrofinanz als Instrument der Armutsbekämpfung

  • Ist die Mikrofinanzierung überhaupt als Mittel zur Armutsbekämpfung geeignet?

    Wir sind überzeugt, dass Mikrofinanzierung ein wichtiges Instrument zur nachhaltigen Entwicklungsförderung ist. Mikrokredite sind kein Allheilmittel, und Mikrofinanz kann weder staatliche Sozialleistungen ersetzen noch allein für globale Gerechtigkeit sorgen. Aber eine verantwortungsvolle Mikrofinanzierung trägt dazu bei, wirtschaftlich benachteiligten Menschen die Möglichkeit zu geben, ihr Leben eigenständig zu gestalten und ihre Lebensbedingungen zu verbessern.

    Verantwortungsvolle Mikrofinanz bedeutet für uns

    • Eine umsichtige Auswahl der Partner und eine enge Zusammenarbeit sind von Anfang an unerlässlich. Oikocredit hat ESG-Scorecards zur Bewertung entwickelt, die als Instrumente fester Bestandteil unserer Unternehmensanalyse potenzieller Partnerorganisationen sind: Umweltfaktoren (Environmental), Sozialstandards (Social) und Corporate Governance (Unternehmensführung) – einschliesslich einer Scorecard speziell für Finanzinstitutionen. Dies ist ein wichtiger Schritt, um sicherzustellen, dass die richtigen Zielgruppen/Kunden mit verantwortungsvollen Produkten und Dienstleistungen erreicht werden. Weitere Informationen finden Sie im Oikocredit-Blogartikel zur Partnerauswahl und im englischsprachigen Video.
    • Um eine Überschuldung der Mikrokreditnehmer*innen zu verhindern, stellt Oikocredit strenge Anforderungen an die finanzierten Mikrofinanzorganisationen:
      - Sie müssen ihre Kund*innen transparent und verständlich über die Kreditbedingungen informieren und durch sorgfältige Prüfung klären, ob die Antragsteller*innen in der Lage sind, die Mikrokredite zurückzuzahlen.
      - Verantwortungsvolle Mikrofinanzierung bedeutet auch, dass die Rückzahlungen verantwortungsvoll eingezogen werden, dass der Datenschutz gewährleistet ist, dass hohe Standards im Umgang mit den Kund*innen eingehalten werden und dass diese die Möglichkeit haben, Beschwerden einzureichen. Oikocredit hat jetzt auch einen eigenen Beschwerdemechanismus eingerichtet: Beschwerden - Oikocredit International.
      - Diese und andere Massnahmen zum Schutz der Kreditnehmer*innen sind in den Kundenschutzstandards (Client Protection Standards - CPS) von Cerise+SPTF festgelegt. Oikocredit unterstützt die CPS seit ihrer Einführung im Jahr 2009 (früher Client Protection Principles - CPP). Diese strengen Oikocredit-Richtlinien sind für unsere Mikrofinanzpartner verbindlich und werden in alle Kreditverträge mit ihnen aufgenommen.
    • Überprüfung unserer Wirksamkeit: Wir messen regelmässig die Wirkung unserer finanziellen und nichtfinanziellen Aktivitäten auf Partnerorganisationen und Endkund*innen. Die zugrunde liegende Methodik und die Ergebnisse können Sie in unserem aktuellen Wirkungsbericht nachlesen. Seit 2021 führen wir ausserdem ausführliche Endkundenbefragungen (Englisch) mit Partnerorganisationen durch. Im Jahr 2023 befragten 34 unserer Partnerorganisationen 40.966 Kund*innen in 15 Ländern, darunter auch Kambodscha. Auf Basis der Rückmeldungen und Sichtweisen von Kund*innen können Finanzdienstleister ihre Produkte und Dienstleistungen zukünftig noch besser an den Bedürfnissen ihrer Kund*innen ausrichten und deren Schlüsselthemen eruieren.

Oikocredits Position bezüglich der in den Medien verbreiteten Vorwürfe

  • Wurden Endkund*innen von Mitarbeiter*innen der Oikocredit-Partnerorganisationen bedroht oder eingeschüchtert?

    Wir können diese Behauptung nicht bestätigen. Oikocredit verfolgt eine Null-Toleranz-Politik gegenüber aggressivem Verhalten von Mitarbeitenden oder Partnerorganisationen, und wir erwarten von unseren Partnern, dass sie dies auch durchsetzen. Wir bemühen uns auch, mögliche Fälle von Fehlverhalten in offenen und direkten Gesprächen mit unseren Partnern zu untersuchen.

  • Es gibt seit Jahren Vorwürfe bezüglich Missständen. Was hat Oikocredit unternommen?

    Wir haben seit 2012 viel getan - aber wenig darüber kommuniziert. Hier finden Sie eine Zusammenfassung unseres Engagements für verantwortungsvolle Mikrofinanzierung in Kambodscha:

    • Die Auswahl der richtigen Partnerorganisation ist für Oikocredit von zentraler Bedeutung. Vom ersten Treffen bis zur Unterzeichnung des endgültigen Vertrags ist es ein langer Prozess, der viel Sorgfalt erfordert. Der Aufwand für die Auswahl der Partner lohnt sich jedoch, und die Beziehungen zu den Partnerorganisationen halten oft über viele Jahre. Neben einer Marktanalyse und der Sichtung von Daten und Zahlen besuchen wir potenzielle Partner immer auch vor Ort. So können wir uns einen persönlichen Eindruck verschaffen und klären, inwieweit unsere Ziele übereinstimmen. Oikocredit wendet bei der Zulassung neuer Partnerorganisationen ein strenges Verfahren an, das Wirkung, Risiko und Ertrag ausgewogen berücksichtigt. Im Rahmen dieses Verfahrens verwendet Oikocredit zwei Scorecards: Die erste - die Project Viability Risk Scorecard, kurz PVR - bewertet die finanzielle Leistungsfähigkeit der betreffenden Organisation. Die zweite ist die Environmental, Social and Governance (ESG) Scorecard, mit der wir die ökologischen und sozialen Auswirkungen sowie die Unternehmensführung der potenziellen Partnerorganisation untersuchen. Dabei berücksichtigen wir sieben Schlüsselfaktoren, wie z. B. Massnahmen zur Vermeidung von Kundenüberschuldung sowie eine faire und transparente Preisgestaltung. Diese Kriterien und Schutzprinzipien beruhen auf internationalen Best-Practice-Grundsätzen und Marktstandards für Impact Investing.
    • Oikocredit verlangt von allen Partnern im Bereich des inklusiven Finanzwesens, dass sie die verbindlichen Kundenschutzrichtlinien anerkennen und befolgen, eine Bewertung ihrer Praktiken in diesem Bereich durchführen und bei Bedarf einen Aktionsplan zur Verbesserung von Schwachstellen und zur Schliessung von Lücken entwickeln.
    • 2012 und 2017 haben wir zwei Studien mitinitiiert beziehungsweise finanziert, die speziell potenzielle Überschuldung im Mikrofinanzsektor untersucht haben. Die Studie von 2012 zeigte, dass das grösste Risiko für Überschuldung unter Endkund*innen die mehrfache Aufnahme von Mikrokrediten ist. Die Studie von 2017 zeigte zudem: Es gibt hohe Kredit-, Wachstums- und Verschuldungsquoten in Kambodscha. Beide Studien kamen zu dem Ergebnis, dass es Bereiche und Segmente gibt, die noch keinen guten Zugang zu Mikrofinanzierung, aber einen Bedarf an Investitionskapital haben – zum Beispiel im Bereich der Landwirtschaft, insbesondere bei Kleinbäuer*innen. Seitdem haben unsere Partner ihre Reichweite in ländlichen Gebieten strategisch ausgebaut. Im Dezember 2022 waren 87 Prozent der kambodschanischen Oikocredit-Kund*innen in der Landwirtschaft und anderen der Landwirtschaft nahen Erwerbszweigen tätig.
    • Als Ergebnis dieser Überschuldungsstudien hat Oikocredit seit 2012 auch Beratungs- und Schulungsprogramme durchgeführt, so etwa Risikomanagement-Schulungen für Mikrofinanzorganisationen mit Schwerpunkt Kundenschutz, landesweite Fernseh- und Radiokampagnen zur finanziellen Bildung und insbesondere zur Sensibilisierung der Bevölkerung für Überschuldungsrisiken.
    • Ebenso beteiligte sich Oikocredit 2012 an der Diskussion über die Vorteile eines nationalen Kreditbüros und setzte sich erfolgreich für dessen Einrichtung ein. Ein nationales Kreditbüro ist ein Schlüsselelement zur Verhinderung von Überschuldung, da es prüfen kann, ob eine Kundin oder ein Kunde bereits einen laufenden Kredit bei einer anderen Institution hat. Wenn dies der Fall ist, wird der neue Kredit nicht genehmigt. Ein Kreditbüro sorgt so für mehr Transparenz und Kundenschutz im Sektor.
    • Und 2018 beteiligte sich Oikocredit an der Entwicklung nationaler Kreditvergaberichtlinien für eine stärkere Regulierung des Sektors und einen verbindlichen Kundenschutz. Oikocredit machte diese Kundenschutzrichtlinien von Anfang an für alle Partner verbindlich. Erst 2022 wurden sie für den Sektor offiziell. Mikrofinanzorganisationen sind verpflichtet, Kundendaten bei der Kreditvergabe unverzüglich an das nationale Kreditbüro weiterzugeben. Leider sind informelle Geldverleiher*innen nicht in dieses System eingebunden und stellen daher ein hohes Risiko für den Sektor dar.
    • Mit dem LICADHO-Bericht „Collateral Damage“ aus dem Jahr 2019, der erstmals einige unserer Partner namentlich mit Menschenrechtsverletzungen aufgrund von Überschuldung in Verbindung brachte, konfrontierten wir unsere Partner mit diesen Vorwürfen. Oikocredit war vor Ort und steht seitdem in engem Austausch mit den Partnern, um diese Kritik zu klären. Unsere Nachforschungen haben die Vorwürfe nicht bestätigt.
    • Zwischen April 2021 und April 2022 haben wir mit zwei Partnern vor Ort zusammengearbeitet und 902 ihrer Kund*innen zu den Veränderungen befragt, die sie nach dem Erhalt eines Mikrokredits in ihrem Leben erfahren haben. Die meisten gaben an, dass sich der Mikrokredit in den letzten 12 Monaten positiv auf ihr Leben ausgewirkt habe.
    • Wir haben mehrere Gespräche mit anderen Impact-Investor*innen durchgeführt, um die Situation in Kambodscha zu bewerten und über Massnahmen und Initiativen zu sprechen, die ergriffen werden können, um einige der dringenden Probleme anzugehen, die wir sehen.
    • Wir arbeiten aktiv an einem Programm zur Stärkung der Eigenverantwortung von Kund*innen und zur Unterstützung der Verbesserung des regulatorischen Umfelds in Kambodscha mit.

Land als Sicherheit im Mikrofinanzwesen

  • Stimmt es, dass Oikocredits Partnerorganisationen Land als Kreditsicherheit nehmen?

    Grundstücke, Gehälter oder Konsumgüter werden häufig als Sicherheiten verlangt, je nach Höhe des Kredits. Dies ist eine gängige Praxis bei Mikrofinanzorganisationen weltweit. Die meisten unserer Partnerorganisationen in Kambodscha verlangen Land als Sicherheit erst ab einer Kreditsumme von 2.000 oder 3.000 Euro.
    In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig zu verstehen, dass Landsicherheiten nicht die Ursache für eine mögliche Überschuldung sind. Ursache sind Zahlungsschwierigkeiten, die durch falsch berechnete Kreditbeträge, die Aufnahme von Mehrfachkrediten oder Schicksalsschläge entstehen können.

    Der erste Schritt unserer Partnerorganisationen im Falle von Zahlungsschwierigkeiten ist immer das Gespräch mit dem Kunden oder der Kundin. Ziel ist es dabei, den Kredit entsprechend der jeweiligen Zahlungsfähigkeit umzustrukturieren, das heisst Laufzeiten und Rückzahlungsbeträge anzupassen. Oikocredit schult und unterstützt die Partner in der Anwendung ethischer Praktiken, wenn es um Rückzahlungsschwierigkeiten geht.

    Um Überschuldung zu verhindern, setzt sich Oikocredit in Kambodscha seit vielen Jahren für einen besseren Kundenschutz ein. So beteiligte sich Oikocredit bereits 2012 an der Diskussion über die Einrichtung eines nationalen Kreditbüros, das verhindern soll, dass eine Person mehrere Kredite aufnimmt. Mit unseren Partnerorganisationen haben wir wiederholt Schulungen für Kreditsachbearbeiter*innen zum Thema verantwortungsvolle Mikrofinanzierung durchgeführt. Auf Landesebene haben wir eine Fernseh- und Radiokampagne zur finanziellen Bildung der Bevölkerung durchgeführt.

  • Haben Menschen tatsächlich ihr Land verloren, weil sie einen Kredit an Partnerorganisationen von Oikocredit nicht zurückzahlen konnten?

    Die Informationen über Landenteignungen stammen von lokalen Menschenrechtsorganisationen. Wir können Fälle von Landverlust nicht bestätigen. Zum einen gibt es dafür keine Rechtsgrundlage, vor allem weil die Titel zwar im Besitz der Mikrofinanzinstitutionen sind, aber nicht vollstreckt werden können, da sie in vielen Fällen nicht auf den Namen der Endkreditnehmer*innen, sondern einer Gemeinschaft lauten und damit unveräusserlich sind. Und zweitens wird der indirekte Weg, Schuldner über die Gerichte zum Zwecke der Kreditrückzahlung zum Verkauf ihres Landes zu zwingen, von Mikrofinanzorganisationen selten oder nie genutzt.

    Wir sehen jedoch, dass das Risiko, das eigene Land zu verlieren, mehr Dimensionen hat, da es in vielen Fällen eine starke kulturelle Verbindung zwischen Land und Identität gibt. Die Menschen dürfen keine Angst haben, ihre territoriale Basis zu verlieren, und wir erwarten von unseren Partnern, dass sie gefährdete Menschen schützen. Wir sprechen mit unseren Partnern über die Praxis der Verpfändung von Land und tun auf sektoraler Ebene alles, was wir können, um diese Praxis zu ändern.

  • Warum gibt es keinen Fonds für ausländische Investor*innen, der überschuldeten Kreditnehmer*innen bei der Rückzahlung ihrer Kredite hilft?

    Unsere Erfahrung zeigt, dass im Falle einer Insolvenz andere Mechanismen sinnvoller sind, etwa eine Umschuldung. Das heißt, wenn jemand nicht in der Lage ist, einen Kredit zurückzuzahlen, wird die Kreditlaufzeit oder die Höhe der Rückzahlungen entsprechend angepasst. Es gibt tatsächlich auch Mechanismen, dass Kredite abgeschrieben werden, wie es zum Beispiel bei der Corona-Pandemie der Fall war. Eine nachhaltige, integrative Finanzierung sollte jedoch nicht auf dem Erlass von Krediten oder auf Spenden beruhen, sondern auf dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe und einer verantwortungsvollen Praxis.

Stand: August 2024